Freinet-Glossar

Glossar Einträge

A

Abschlusskreis

Am Ende einer Lerneinheit setzt sich die Lerngruppe in einen Abschlusskreis. Jede(r) Einzelne nimmt der Reihe nach zum vorausgegangenen Inhalt und / oder zur Gruppenatmosphäre und / oder zum eigenen Befinden bzw. Fortschritt im Lernprozess statt. Häufig wird die Reihenfolge der Beteiligung durch das Herumgeben eines „Sprechsteins“ unterstützt.

Atelier

Ateliers sind zeitlich vorgegebene Workshops, die entweder von Expert:innen angeboten oder als Mitmach-Ateliers ausgeschrieben werden. Wir unterscheiden Langzeitateliers (meist über mehrere Stunden an mehreren Tagen) und Kurzzeitateliers (einmalige Angebote über 1-2 Stunden). In einem Atelier können die Teilnehmenden in einem geschützten Rahmen neue Methoden erproben. Als Atelierthema ist alles möglich: von Theorie bis künstlerisch, von Konzeptentwicklung bis zum freien kreativen Ausdruck.

Ämter im Gruppen-/Klassenrat

Im Gruppen-/Klassenrat werden verschiedene Aufgaben für einen festgelegten Zeitraum vergeben oder gewählt. Diese Ämter sind z.B. Chef:in / Präsident:in, Protokollant:in, Regelwächter:in, Zeitwächter:in usw. Diese sind unabhängig vom Amt des/der Gruppen-/Klassensprecher:in. Die Ämter dienen dazu, allen die Möglichkeit zu geben, Rollen auszuprobieren und Verantwortung zu übernehmen. Als Hilfe können Ämter doppelt besetzt werden.

Arbeit

Der Begriff der Arbeit ist für die Freinet-Pädagogik von besonderer Bedeutung. Gemeint ist, dass es sich beim Lernen um echte, gesellschaftlich relevante Tätigkeit handelt. Célestin Freinet meint selbstverständlich sinnstiftende Arbeit, in der sich das Individuum verwirklicht. Er grenzt sie bewusst von sinnentleerter Arbeit ab.

Ausdrucksspiel

–> Jeux dramatique

B

Baum der Kompetenzen

Die Idee des Baums der Kompetenzen ist eine ureigene Freinet-Methode, da sie von der Einzigartigkeit eines jeden Menschens ausgeht. Die Personen einer Gruppe / eines Systems (Baumstamm) werden als Blätter an verschiedenen Ästen (Arbeitsgruppen / Abteilungen) dargestellt. Durch verschiedene Symbole oder Begriffe werden die Kompetenzen einer jeden Person sichtbar. Mit dem Baum der Kompetenzen kann die Vielfalt der Expertisen, Kenntnisse und Fähigkeiten in Gruppen sichtbar gemacht werden.

Biographiearbeit

Die Biographiearbeit besteht darin, sich mit dem eigenen Lebenslauf auseinander zu setzen. Viele Menschen verspüren den Wunsch, sich mit Entscheidungen / Erlebnissen des eigenen Lebens nachträglich und aus einer anderen Perspektive zu befassen. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit kann persönliche Sicherheit geben und das Selbstvertrauen stärken. Sie hilft, künftige schwierige Situationen besser zu bewältigen.

Buchbinden

Das Buchbinden ist eine Form der Präsentation von selbst verfassten Texten und / oder Drucken bzw. Bildern. Durch das Zusammenfügen der einzelnen Seiten entsteht ein Gesamtwerk, das so einen eigenen Wert erhält. Die verwendeten Techniken können von einfacher Fadenheftung bis hin zum kunstvollen Buchbinden mit selbst geschöpftem Papier reichen.

Bundestreffen

Um die Vielfalt unserer regionalen Aktivitäten zusammen zu führen, kommen wir uns in regelmäßigen Bundestreffen zusammen. Wir erleben uns so als bundesweit tätige Gemeinschaft und bauen unsere Vernetzungen aus.

C

Coyote-Teaching

Die Methode des Coyote-Teachings wird im Zusammenhang mit den Freinet-Schwerpunkten der „Natürlichen Methode“ und des „Verlassens der Übungsräume“ angewendet. Rollenspiele aus der Wildnispädagogik haben u.a. das Ziel der Selbstfindung in einer liebevollen, altersübergreifenden Gemeinschaft. Durch das Coyote-Teaching bringen sich die Teilnehmenden in Einklang mit Natur und Umwelt. Es geht auf Jon Young aus den USA zurück, der viele der von ihm genutzten Techniken aus dem Lehren und Lernen nativer Völker übernahm.

D

Darstellungsformen

–> Präsentation

Demokratie

In der Freinet-Pädagogik hat die Demokratie eine zentrale Bedeutung. Mit der Forderung „Den Kindern das Wort zu geben“ verweisen wir darauf, dass jedes Kind und jeder Mensch hat, für sich zu sprechen. Jede(r) gestaltet sein eigenes Lernen von Anfang an aktiv. Der Gruppen-/Klassenrat ist der Ort, wo unterschiedliche Interessen der Lernenden und Lehrenden miteinander ausgehandelt werden. Alle übernehmen Verantwortung für das gemeinsame Lernen.

Dienste

In jeder Gruppe / Klasse gibt es Aufgaben, die der Gemeinschaft dienen, wie z.B. Fegen, Mülldienst, Aufräumdienst, Fenster- und Energiewächter usw. Um die Verantwortung auf jede/n Einzelne(n) zu übertragen, werden diese Aufgaben in Tages- oder Wochendiensten über den Klassen- bzw. Gruppenrat organisiert und die Ausführung reflektiert.

Drucken -> Siebdruck

Das Drucken ist eine traditionelle Freinet-Methode, mit der Zeitschriften oder Karten als Produkte der Lernenden entstehen. Damit drücken sie sich frei aus und üben sich in handwerklichen Tätigkeiten. Bei Freinet hatte das Setzen von Wörtern beim Drucken eine entscheide Rolle beim Lesen- und Schreibenlernen. Der Arbeitsprozess des Drückens führte dabei automatisch zu einer Kooperation der Lernenden.

E

Einseiten-Theorie

Jedes Thema – vom Forschungsvorhaben in der KiTa bis hin zum wissenschaftlichen Abstract – lässt sich auf einer Seite so zusammen fassen, dass es für Nicht-Expert:innen verständlich ist. In der Freinet-Pädagogik haben wir verschiedene Wege, um zu einer Einseiten-Theorie zu kommen: Fortgeschrittene arbeiten wir mit freien Gestaltungen. Beginnende können als Hilfe vorstrukturierte Textelementen wie z.B. „Körperbau“ oder „Zahlenwerte“ bei einem Tier-Steckbrief nutzen. Aus den Produkten von Einseiten-Theorien lässt sich eine Sammlung erstellen, die als Anregung für spätere Forschungsvorhaben dient.

F

Feedback-Kultur

Eine gute Feedback-Kultur ist geprägt von Offenheit und gegenseitigem Vertrauen. Außerdem ermutigt sie dazu, Lob, Kritik und Verbesserungsvorschläge bzw. Wünsche frei zu äußern. Wichtig ist, dass es festgelegte Orte, Zeiten und Rituale für diese Form der Metakommunikation gibt. In der Freinet-Pädagogik findet Feedback vor allem im Gruppen- bzw. Klassenrat statt. Die vorbereiteten Aussagen der –> Wandzeitung („Ich lobe …“, „Ich kritisiere …“, „Ich rege an …“) struktieren den Verlauf des Feedbacks im Gruppen- bzw. Klassenrat.

Freiheit vs. Struktur

Die Freinet-Pädagogik bietet einen strukturierenden Rahmen, in dem sich die Lernenden frei entfalten können. So werden –> Morgenkreise, Arbeitspläne aus der –> Wochenplanarbeit, –> Wandzeitung usw. genutzt, um die gemeinsame und individuelle Arbeit zu strukturieren. Das Maß auf der Skala zwischen Freiheit und Struktur wird von Freinet-Pädagog:innen in Abhängigkeit von der Gruppe immer wieder neu festgesetzt. Das Ziel ist ein größtmögliches Maß an Freiheit, welches die Lernenden in gemeinsamer Verantwortung realisieren.

Freie Texte

Das Schreiben freier Texte ist eine bedeutende Freinet-pädagogische Methode. Célestin und Elise Freinet führten das freie Schreiben in den schulischen Kontext ein, um sich vom traditionellen Schulaufsatz mit seinen sehr engen Schreibvorgaben abzusetzen. Freie Texte ermöglichen es den Lernenden, ihre eigene Sicht der Welt zum Ausdruck zu bringen. Der Schreibauftrag kann dabei völlig offen sein oder durch bestimmte Impulse (Bilder, Reizwörter, Umwelt, Natur, Expert:innen) angereget werden.

Forscherfragen

Beim forschend-entdeckenden Lernen gehen die Lernenden von ihren eigenen Forscherfragen aus. Diese sind auch in der entsprechenden Freinet-Methode, dem –> Tastenden Versuchen der Ausgangspunkt für alle Lernvorhaben. Wir unterscheiden „große Fragen“ (Hauptfragen) und „kleine Fragen“ (Unterfragen). Gute Forscherfragen zeichnen sich dadurch aus, dass sie genau das richtige Maß an Tiefe ermöglichen, die für das jeweilige Forschervorhaben notwendig sind. Sie beginnen meist mit den klassischen W-Fragen und können nicht mit „Ja“ / „Nein“ oder einem einzelnen Satz beantwortet werden.

G

Gruppenrat

Der Gruppenrat ist das Pendent zum –> Klassenrat in Lerngruppen, die nicht in Klassen organisiert sind. Er kann in der KiTa, in Grund- und weiterführenden Schulen sowie in Erwachsenengruppen als Steuerungsinstrument für demokratischen Lernen genutzt werden.

H

Haltung

In der Freinet-Pädagogik ist der Blick auf meine eigene Haltung der Schlüssel zur pädagogischen Praxis. Ich schaue auf die Lernenden und nehme wahr, was sie können und mitbringen. So entdecke und festige ich mein Verständnis eines Lernens, das die Lernenden in den Mittelpunkt stellt. Ich bin als Freinet-Pädagog:in immer auch selbst Lernend:e(r). Indem ich eine Vielfalt von Wegen und Methoden zulasse, entsteht ein Lernprozess, der den Selbstwert und das Selbstbewusssein stärkt. Durch die zunehmende Öffnung der Lernräume erfahre ich gemeinsam mit den Lernenden das Gefühl von Selbstwirksamkeit. Als Freinet-Pädagog:in darf ich sein, wer ich bin. Ich nehme meine Umwelt und mein Umfeld wahr.Ich finde Sinn in dem, was ich tue. Ich darf neue Wege beschreiten, meine Rolle überdenken, ausprobieren, reflektieren, verwerfen und neue „Schätze“ sammeln. Diese Arbeit an meiner Haltung schafft mir Freude und Zufriedenheit in meinem Beruf. In der Lerngruppe erleben wir alle die Kraft der Gemeinschaft und profitieren von gelebter Demokratie.Die Ideen Freinets sind zeitlos und ebenso brandaktuell. Sie werden zu meiner pädagogischen Heimat.

Heterogenität

Die Vielfalt der Lerngruppe stellt eine selbstverständliche Bereicherung des Lernens dar. Jedes Thema des „Andersseins“ ist für die Lerngruppe eine Chance. Freinet nutzte beispielsweise die Herkunft eines Kindes aus einem anderen Land als Lernanlass für Fremdsprachenerwerb und kulturellem Austausch wie Kochaktionen o.Ä.

I

Inklusion

Inklusion meint die Einbeziehung aller Lernenden einer Gruppe in den Lernprozess. Die Inklusion nutzt die –> Heterogenität als Grundprinzip, um das Potenzial der Gruppe voll auszuschöpfen. Inklusive Pädagogik geht über die Integration hinaus, bei der vor allem Lernende mit Einschränkungen zwar in der Gemeinschaft, aber an anderen Themen und oft auch in getrennten Tischgruppen arbeiten.

intrinsich

Die intrinsiche (innere) Motivation ist der Motor eines Lernprozesses. Kinder bringen diese durch ihren Lernwillen, Forscher- und Entdeckergeist mit. Erwachsene haben oftmals ihre intrinsische Lernmotivation verloren, da sie durch ihre Erfahrungen im Bildungssystem häufig von extrinsischen (äußeren) Erwartungen und Bewertungen gesteuert werden. Eine Methode, um wieder zum inneren Lernwillen zu finden, ist die –> Natürliche Methode.

J

Jahrgangsmischung

Die Jahrgangsmischung ist eine Freinet-pädagogische Organisationsform. Da das Verständnis vom Lernen durch eine positive Haltung gegenüber der –> Heterogenität im Sinne der Vielfalt geprägt ist, kann man hiervon in jahrgangsgemischten Lerngruppen bewusst profitieren. In KiTas und in der Erwachsenenbildung ist die Jahrgangsmischung selbstverständlich. In Schulen findet häufig eine Jahrgangmischung in 2er- oder 3er-Stufen statt, z.B. eine Mischung der Klassenstufen 1-2 und 3-4 sowie 5-7 und 8-10. Durch diese Form der Mischung wird insbesondere bei Jugendlichen der Prozess der Pubertät konstruktiv auf die jüngeren und älteren Stufen verteilt. Die Lernenden übernehmen so jeweils Verantwortung gegenüber den jüngeren, können aber in Zeiten des Übergangs auch von der Hilfe der Älteren profitieren.

Jeux dramatiques

Die Jeux Dramatiques sind eine Theater-Methode, die in der Erarbeitungsphase auf die Sprache verzichtet und mit dem Einlassen und Vertiefen in sich selbst, seinem Tun und Wirken arbeitet. Die Spieler erleben im gemeinsamen Agieren Verständnis für sich und  Akzeptanz für die anderen.. Durch Bewegung und Gebärde kann inneres Erleben spielerisch ausgedrückt werden. Die Jeux Dramatiques sind eine Alternative zum klassischen Theater. Das Spiel ermöglicht Menschen jeden Alters, einen spielerischen Prozess zu einem Thema oder Text zu erleben.

K

Kaffee-Plenum

Das Kaffee-Plenum ist eine Form der Selbstorganisation bei Freinet-pädagogischen Treffen, Fortbildungen und Weiterbildungen. Hier wird die Arbeit von Kurzzeit- und Langzeitformen der –> Ateliers vorbereitet und organisatorisch begleitet. Im Sinne der –> Partizipation wird die Leitung des Kaffee-Plenums bewusst von den Organisierenden der Veranstaltung an die Teilnehmenden abgegeben.

Klassenkorrespondenz

Bei der Klassenkorrespondenz tritt eine Schulklasse mit einer anderen in einen regelmäßigen Austausch von Informationen ein. Der Brief ist die traditionelle Form . E-Mail-Austausch, das Gestalten von Webseiten oder Blogs sind die modernen Varianten.Die Sozialformen für die Klassenkorrespondenz können folgendermaßen aussehen:Eine Klasse schreibt einer anderen Klasse. Sie stellt sich, ihre Schule, ihre Region und so weiter vor.Kleingruppen aus einer Klasse schreiben einer Kleingruppe einer anderen Klasse.Individuelle Schüler schreiben einem anderen Schüler.

Klassenrat

In Schulen heißt der –> Gruppenrat meistens Klassenrat. Hier werden im Sinne der Eigenverantwortung die Themen, Probleme und Wünsche der Lernenden und Lehrenden miteinander verhandelt. Der Klassenrat findet in der Regel einmal pro Woche statt. Die –> Ämter des Klassenrats werden für bestimmte Zeiten fest vergeben. Die Themen aller werden von den Lernenden mit Leitungsfunktion über die ausgehängte –> Wandzeitung eingebracht. Der Klassenrat ist eines der Grundelemente von heutigen demokratisch aufgestellten Schulen.

Konsensbildung

Ein Konsens ist die Übereinstimmung von Meinungen oder Zielen von zwei oder mehr diskutierenden oder verhandelnden Parteien.Ursprung des Begriffs ist das lateinische consensus (Übereinstimmung, Einhelligkeit).In der Freinet-Pädagogik wird das Erreichen eines Konsens in den Mitbestimmungsgremien (Gruppenrat, Klassenrat, Plenen usw.) angestrebt, da es so meist zu produktiveren Lösungen konmmt. Alle fühlen sich eingebunden.

L

Leistungsbewertung

Leistungsbewertung verbunden mit „Schulnoten“ ist ein zentraler Vorgang im traditionellen Schulwesen. Lange Zeit konzentrierte sich die Leistungsmessung auf schriftliche Leistungen. Es wurde gefordert, dass alle Schüler:innen zu einem bestimmten Zeitpunkt auf der Grundlage vorgegebener Aufgabenformate den erworbenen Lernzuwachs abriefen. Besonders in der Kritik steht in international vergleichenden Studien (z.B.: PISA) das deutsche Schulwesen, weil es eine sozial ungerechte Leistungsauslese (Benachteiligung von Kindern aus bildungsfernen Haushalten) produziert. Im Fokus steht hierbei das dreigliedrige Schulsystem, das in einem viel zu frühen Lebensalter der Kinder eine prägende Entscheidung über die künftige Schullaufbahn erzwingt.

Lesen durch Schreiben

Beim Lesen durch Schreiben[ (vor allem nach: Jürgen Reichen) schreiben die Schreibanfänger Wörter mit Hilfe einer Anlauttabelle . Bilder bekannter Gegenstände werden mit den Lauten zusammen abgebildet: so steht das Bild einer Eule für „eu“. Durch wiederholte sinnvolle Benutzung werden die Buchstabenkombinationen für Wörter gelernt , so dass nach einiger Zeit (im Schnitt ein paar Wochen) auf die Buchstabentabelle verzichtet werden kann. Ohne dass das Lesen ausdrücklich Gegenstand des Unterrichts ist, wird die Fähigkeit des Lesens auf diese Weise erworben.

Livre de vie

Das Livre de vie ist eine Freinet-pädagogische Variante eines –>Portfolios. Es ist eine Form der Präsentation und Dokumentation eines individuellen, häufig längerwährenden Lernprozesses. Im Livre de vie werden neu erworbene Inhalte, aber auch der Weg, auf welchem sie erworben wurden dokumentiert. Auf die ästhetische Gesamtgestaltung wird viel Wert gelegt.. Der / die Verfaser:in bestimmt diese selbst als Zeichen des persönlichen und –>Freien Ausdrucks (z.B.: Format, Umschlaggestaltung, verwendete Schriften, Seiten Lay-Out, Farbgebung).

M

Methode

Unter Methode verstehen wir in der Freinet-Pädagogik das, was im Französischen das Wort „la technique“ meint. Wir haben uns bewusst für den Begriff „Methode“ entschieden, da sich diese an direkt an der Freinet-pädagogischen Grundhaltung ausrichten. Eine Beispiel-Methode ist das Freie Schreiben: es beruht auf der Idee, dass es keine Vorschrift, sondern eine Gelegenheit meint, Freiräume für kreative Gestaltungsprozesse zu nutzen. Ein Gegensatz dazu wäre eine konkrete Technik, z.B. die „5-Schritt-Lesetechnik“.

Morgenkreis

In vielen Freinet-pädagogisch orientierten Lernorten beginnt der Tag mit einem Morgenkreis, der als Stuhlkreis oder Sitzkreis auf dem Boden stattfindet. Er dient dazu, dass die Lerngruppe mit einem gemeinsamen Ritual beginnt. Das bietet den Teilnehmer:innen durch die sich wiederholende Struktur Sicherheit und Vertrautheit. Nur wer sich sicher fühlt, kann sich entspannen und auf das Lernen von Neuem einlassen. Der Morgenkreis markiert die Schwelle dafür, dass alle Anwesenden aus ihrem sonstigen Lebensbereich heraustreten und nun in eine Lerngemeinschaft eintreten. Die Inhalte und konkreten Tätigkeiten hängen vom Alter und den Bedürfnissen der Versammelten ab. Im Morgenkreis wird sowohl die emotionale Ebene (z.B.: Was ist mein heutiges Empfinden? Was möchte ich aus meinem Leben mitteilen?) als auch die kognitive Ebene (z.B.: Nachrichten des Tages, Lesen / Vorlesen, Lieder, Rätsel) angesprochen. Eine wichtige Rolle kann der Morgenkreis als Steuerungsinstrument für den anstehenden Tag einnehmen. So wird in ihm etwa der zugrunde liegende –>Wochenplan oder ein umfangreicheres Projektvorhaben tageaktuell konkretisiert.

N

Natürliche Methode

Die Natürliche Methode ist eine der grundlegenden Freinet-Methoden. Sie sieht Lernen als einen konstruktiven, selbstgesteuerten und mit freudigem Entdeckergeist verbundenen Prozess. Diese Grundhaltung entspricht dem pädagosischen Ansatz des Konstuktivismus, nachdem die Lernenden ihr Wissen und ihre Fertigkeiten selbst konstruieren. Nach Freinet kann und will jedes Kind lernen. Es tut dies ohne zu werten und zu zögern. Im Kern dieses natürlichen Lernvorgangs steht die Entwicklung von –> Forscherfragen sowie die Methode des –> Tastenden Versuchens. Auch Erwachsene können nach der Natürlichen Methode lernen. Dabei besinnen sie sich wieder auf den Forscher- und Entdeckergeist aus ihrer eigenen Kindheit.

O

Offener Unterricht

Es gibt in der Pädagogik keine einheitliche Definition des Offenen Unterrichts. Meist soll mit der Bezeichnung darauf hingewiesen werden, dass die jeweils gemeinte Unterrichtsform offener als herkömmlicher Frontalunterricht ist. Es können unterschiedliche Ebenen der Öffnung von Unterricht festgestellt werden. Organisatorisch: Die Lerner:innen bestimmen selbst, wann sie an einem Thema arbeiten (zeitlich), wo sie an einem Thema arbeiten (räumlich) und mit wem sie an einem Thema arbeiten (kooperativ). Methodisch: Die Lerner:innen bestimmen selbst, wie sie ihr Thema bearbeiten, welchen methodischen Zugang zum Thema sie wählen. Inhaltlich: Die Lerner:innen bestimmen selbst, woran sie arbeiten/an welchem Thema sie arbeiten. Sozial: Die Lerner:innen bestimmen selbst über die Regeln und den Ablauf des Lebens in der Lerngruppe und über die Konsequenzen, die sich in Problemfällen ergeben. Persönlich: Die Lerner:innen bestimmen selbst, welche Werte und Prioritäten sie für ihr Leben wählen. Kernelement des Offenen Unterrichts sind die Individuen in der Lerngruppe und die Interessen dieser Lerner:innen. Die Einteilung des Unterrichts nach Fächern entspricht dem Offenen Unterricht ebenso wenig wie die vorab getroffene Festlegung eines Kanons von Inhalten. Freinet-Pädagog:innen öffnen die von ihnen gestalteten Lernsituationen immer so weit wie möglich. Um den offenen Lernprozessen einen strukturierenden Rahmen zu geben, arbeiten sie mit freinetischen Instrumenten wie –> Wochenplan und –> Klassen / bzw. Gruppenrat.

P

Partizipation

Partizipation ist ein Begriff aus der Demokratiepädagogik. Sie meint die Teilhabe und die Beteiligung der Lernenden an demokratischen Prozessen und Entscheidungen. In der Demokratieerziehung werden die Lernenden auf die demokratische Prozesse in Gesellschaft und Politik vorbereitet. In Freinet-pädagogischen Einrichtungen üben die Lernenden ihr Mitbestimmungsrecht primär über den –> Gruppenrat bzw. –> Klassenrat aus. Aber auch die Schülervertretung leistet einen entscheidenden Beitrag zur Partizipation von Kindern und Jugendlichen in Bezug auf schulische und gesellschaftliche Prozesse.

Peer-Review

Bei –> partizipativen Bewertungsmethoden spielt das Peer-Review eine wichtige Rolle. Hierbei schauen die Lernenden die –> Dokumentation und / oder –> Präsentationsprodukte zu einem Forscherprojekt an, bevor es durch Lehrende bewertet wird. Sie geben ihrem Lernpartner eine Rückmeldung und formulieren ggf. Verbesserungsvorschläge. Dabei ist eine wertschätzende –> Feedbackkultur von entscheidender Bedeutung. Nur so kann ein angstfreier Raum entstehen, in dem Fehler und Umwege als Teil eines jeden Lernprozesses verstanden werden.

Portfolio

Das Wort Portfolio wird zunächst hauptsächlich im Bereich der Kunst für eine Sammelmappe benutzt, in der besondere Dokumente untergebracht sind. Bereits in der Renaissance trugen Architekten oder Künstler in einem solchen Portfolio Referenzen zum Zwecke ihrer Bewerbung für einen Bauauftrag oder Akademieplatz mit sich. Ein Portfolio für den Lernbereich zeigt ebenso das Können, die Arbeitsweise und die Entwicklung der Lernenden / des Lernenden ähnlich wie das Portfolio im künstlerischen Bereich. Es ist einerseits mit der Darstellung und Einschätzung von Kompetenzen verbunden. Andererseits steht die Weiterentwicklung dieser Kompetenzen im Mittelpunkt. Im Portfolio wird das eigene Können anhand selbst ausgewählter Lern- oder Leistungsprodukte dargestellt (Kompetenzdarstellung). Die Lern- bzw. Leistungsprodukte entstehen im Verlauf möglichst selbstbestimmter Lernaktivitäten. Das erfordert Freiräume bei der Entscheidung von Zielen, bei der Planung und Durchführung der Lernaktivitäten sowie bei deren Evaluierung (Selbstbestimmung). In Portfolios werden gleichermaßen die Lernprodukte und -prozesse sichtbar. Die Verbindung von Produkt- und Prozessdarstellung wird durch (Selbst-)Reflexionen hergestellt. Diese bewirken und fördern einen bewussten Lernkompetenzerwerb neben dem Fachkompetenzerwerb (Verbindung von Produkt und Prozess).

Präsentation

Eine Präsentation ist die zielgerichtete Aufbereitung von Informationen zur Darstellung von Inhalten für ein bestimmtes Publikum. Präsentation bedeutet „Darstellung“ oder „Darbietung“ und kann sowohl eine Sache als auch eine Person betreffen. In der Freinet-Pädagogik haben Präsentationen eine bedeutende Stellung im gesamten Lernprozess. Da die Lernenden häufig und gewollt individuell oder in kleinen Gruppen an spezifischen Themen arbeiten, hat die Präsentation die Aufgabe, das erworbene Wissen gewinnbringend für die gesamte Lerngruppe darzustellen. Die grundlegende Erkenntnis, dass ich nur das, was ich selber verstanden habe, anderen erklären kann, wirkt dabei als Anreiz und Korrektiv für die Präsentierenden. Die Zuschauenden erhalten einen Eindruck und Kenntnisse von einem Lerngegenstand, mit dem sie sich noch nicht auseinander gesetzt haben. Systematisch und alterangemessen aufbauend erwerben Lernende Kompetenzen in den verschiedensten Präsentationstechniken (vom schlichten „Spickzettel“ über Plakatgestaltung bis hin zu digitalen Formen der Präsentation und Theaterspiel). Wegen der hohen Bedeutung, die der Präsentation beigemessen wird, sind diese unverzichtbarer Teil aller Fort- und Weiterbildungen der Freinet-Pädagogik. Auf diese Weise erwerben die Lernbegleiter:innen ein breites Spektrum von Präsentationsmethoden.

Q

R

Resilienz

Menschen reagieren auf unterschiedliche Weise auf Ereignisse, vor die sie das Leben stellt. Während einige Menschen von Problemen, Unglücken oder Katastrophen überwältigt werden, reagieren andere positiv – selbst auf die schwierigsten Erfahrungen. Auch wenn es keine einheitliche Resilienz-Definition gibt: Resilienz beschreibt, wie sich Menschen auch unter dem Einfluss negativer Ereignisse anpassen und sogar gestärkt daraus hervorgehen können. Zu den positiven, die Resilienz stärkenden Faktoren gehören Umweltfaktoren, wie Unterstützung durch die Familie, die eigene Kultur, die Gemeinschaft, das soziale Umfeld und die schulische Umgebung. Personale Faktoren, wie kognitive Fähigkeiten (z. B. Intelligenz, Deutungs- und Sinngebungs-Modelle der Realität) wie auch emotionale Fähigkeiten (z. B. Emotions- und Handlungskontrolle), eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung, Toleranz für Ungewissheit, die Fähigkeit, Beziehungen aktiv gestalten zu können oder die positive Einstellung gegenüber Problemen (Problemlösungsorientierung). Prozessfaktoren, wie die Fähigkeit, in der Krise Chancen und Perspektiven zu erkennen, die Akzeptanz des Unveränderbaren und die Konzentration aller Energien auf das als nächstes zu Bewältigende und die dabei entwickelten Strategien. Auch Gruppen oder Gemeinschaften können sich hinsichtlich ihrer Resilienz unterscheiden. Resilient sind in der Regel Gruppen, die einen starken Zusammenhalt haben, eher kollektivistisch als individuell orientiert sind und sich durch starke Werte auszeichnen, die von den meisten Leuten aus der entsprechenden Gruppe geteilt werden.

Rituale

S

Struktur

–> Freiheit

Symposium / Symposion

Der altgriechische Ausdruck Symposion (griechisch sympósĭon; spätlateinisch symposium) steht sinngemäß für „gemeinsames, geselliges Trinken“. Aus der Bedeutung für gesellige Treffen hat sich später der Begriff Symposium (Pl. Symposien) für wissenschaftliche Konferenzen entwickelt. 1999 führt die Kooperative für Freinet-Pädagogik in Zusammenarbeit mit der Universität Bremen und dem Zentrum für Lehrerbildung in Bremen das 1. Freinet-Symposion durch. Hier werden in einer mehrtägigen Veranstaltung Theorie und Praxis auf freinetische Weise verbunden. Ein grundlegendes Element der Symposien sind auch gegenseitige Hospitationen, die zeitnah durchgeführt werden. Seitdem findet alle 2 Jahre ein Symposion statt. Die Aktivitäten ranken sich immer um ein aktuelles bildungspolitisches Thema.

T

Tastendes Versuchen

Durch Tastendes Versuchen steuern die Lernenden ihre Entwicklung. Dafür brauchen sie offene Räume, in denen sie zu ihren Fragen forschen und üben können. Umwege sind dabei nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht. Es ist wie beim Laufen lernen: das Kind geht ein paar Schritte, fällt hin, steht wieder auf, probiert es weiter usw. bis zum Erfolg.

Tischgruppen

Freinet-Pädagogik setzt Kooperation und Kommunikation voraus. Damit die Lernenden sich gegenseitig Impulse, Unterstützung und Feedback beim Lernen geben, aber auch sozial interagieren können, sitzen sie in der Regel in Tischgruppen. Häufig werden 4er-Tischgruppen gestellt, die im optimalen Falle aus Einzeltischen bestehen, damit man diese passend zur jeweiligen Lernsituation auch anders zusammen setzen kann. Die Tischgruppen werden meistens über einen gewissen Zeitraum, z.B. von Ferien zu Ferien, in festen Lerngruppen zusammen gestellt. Diese sind häufig sowohl alters- als auch stärkenorientiert –> heterogen zusammen gesetzt.

Triadenprinzip

Eine Methode der Arbeit in Freinet-pädagogischen Gruppen ist das Triadenprinzip. Insbesondere bei länger zusammenarbeitenden Gruppen werden feste Lerngruppen zussammen gestellt, die aus drei Menschen unterschiedlicher Institutionen zusammen kommen. Die Zahl 3 als Gruppengröße hat eine besondere Bedeutung: Sie bringt mehr Dynamik im Gruppenprozess mit sich als die Zusammenarbeit von zwei Personen. 3 Personen arbeiten allerdings meist auch effektiver zusammen als Vierergruppen, da jede(r) eine Aufgabe übernehmen und sich keiner auf den Lernerfolgen der anderen „ausruhen“ kann. In festen Freinet-Gruppen, z.B. bei der Weiterbildung, ist die Triade eine Gruppe, die über längere Zeit zusammen bleibt und Reflexionsimpulse nutzt, um insbesondere bezüglich die Zeit zwischen den Treffen miteinander in den Austausch zu gehen.

U

V

Verlasst die Übungsräume

Freinet nutzte die Lernimpulse von Orten in der Umgebung und die Natur für die Lernvorhaben in seiner Gruppe. Indem die Lernenden neue Wege beschreiten, ergibt sich von alleine eine Vielzahl von Lernimpulsen. Dies kann durch den Besuch von Handwerkern und Expert:innen im Stadtteil, durch Exkursionen und Lernreisen sowie durch das Einladen von Expert:innen in die Einrichtung passieren. Die Gruppe sammelt anschließend alle Forscherfragen und startet neue Forschungsprojekte aufgrund der Fragen, die sich die Lernenden selbst aussuchen. So bleibt die –> intrinsische Lernmotivation vorhanden.

W

Wandzeitung

Die Wandzeitung ist ein großes Blatt (oder ein fest dafür vorgesehener Teil einer Präsentationstafel / Pinnwand) das zu Wochenbeginn eröffnet wird. Die Wandzeitung ist in drei große Spalten gegliedert: „Ich lobe“, „Ich kritisiere“, „Ich schlage vor“. Im Laufe der Woche schreiben die Lernenden ihre Bemerkungen in diese Rubriken. Die öffentliche Form der Rückmeldung macht allen Gruppenmitgliedern und Lernbegleiter:innen deutlich, was gerade wichtig ist. Die Wandzeitung ist ein während der Woche wachsendes Instrument der Meta-Reflexion für den stattfindenden Lernprozess und die Lernatmosphäre. Diejenigen, die etwas schreiben und veröffentlichen, lernen dabei, ihre Anliegen so vorzubringen, dass sie Beachtung finden,. Sie lernen aber auch eine Sprache zu benutzen, die gegenüber allen Anwesenden respektvoll ist. Die Wandzeitung ist dann eine wichtige Grundlage für den Klassenrat / Gruppenrat.

Weiterbildung

Die Weiterbildung zur Theorie und Praxis der Freinet-Pädagogik umfasst sechs gemeinsame Bausteine in Präsenz und einen individuell zu gestaltenden Baustein. Sie nutzt die Kontinuität einer festen Gruppe, die über zwei Jahre gemeinsam arbeitet und lernt. Jeder Baustein der Weiterbildung dauert vier Tage. Alle Bausteine bauen in ihrer Gesamtheit der Weiterbildung aufeinander auf. Insofern führt erst die Teilnahme an allen sechs Fortbildungseinheiten zu einer umfassenden Freinet-pädagogischen Kompetenz. Denn komplexe Lernentwicklungsschritte können sich nur in einer festen Gruppe in vertrauerter Atmosphäre vollziehen.

Wochenplan

Grundsätzlich ist mit dem Wochenplan gemeint, dass alle Lernvorhaben, die eine Gruppe für sich beschlossen hat, eine zeitliche Zuordnung erhalten. Der Plan macht deutlich, wann und mit wem welches Vorhaben wo stattfindet. Der Wochenplan wird öffentlich im Lernraum ausgehängt, damit alle Lernenden ihn immer sehen können. Ein im Klassenrat / Gruppenrat beschlossener Wochenplan ist für alle verbindlich. Bei differenzierenden Lernvorhaben weist er die Zeiten aus, in denen individuell gearbeitet wird. Er zeigt aber ebenfalls auf, wann die gesamte Lerngruppe präsent sein soll (Präsentationen, gemeinsames Verlassen der Übungsräume, Klassenrat / Gruppenrat usw.). Diese hier beschriebene grundlegende offene Form des Wochenplans erfährt in der Realität häufig Grenzen durch institutionell vorgegebene Bedingungen (z.B.: Stundenplan in öffentlichen Schulen). Bei unseren Treffen und in Fortbildungen entwickeln wir Ideen, wie die Offenheit eines Lernens nach Freinet unter den realen Bedingungen öffentlicher Institutionen möglichst umfassend erhalten werden kann (z.B.: Monatspläne / Wochenpläne für den eigenen Unterricht, Lernen in Epochen, Lernen in Projekten).

X

Y

Z